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Pflanzenschutzmittel werden eingesetzt, um Nutzpflanzen vor Schädlingen, Krankheiten oder konkurrierenden Pflanzen zu schützen, mit dem Ziel, den Ertrag und die Qualität von Futter- und Lebensmitteln zu sichern. Neben den beabsichtigten Folgen auf die Zielorganismen («Schädlinge») können jedoch auch unerwünschte negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt (auf sogenannte Nichtziel-Organismen) auftreten.

In der Schweiz werden jährlich rund 2200 Tonnen Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe verkauft, wobei die verkaufte Menge im Zeitraum 2007–2014 relativ konstant war. Fungizide, welche zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten eingesetzt werden und Herbizide, die gegen Unkräuter eingesetzt werden, machen mit je rund 40 % mengenmässig den grössten Anteil aus. Rund 16 % der verkauften Menge sind Insektizide zur Bekämpfung von Schadinsekten.

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Aus diesen Verkaufszahlen lassen sich Rückschlüsse über die Entwicklung des Einsatzes gewisser Wirkstoffgruppen in der Schweiz insgesamt ziehen. Für die Bewertung der Umweltrelevanz und für die Entwicklung von allfälligen Massnahmen zur Reduktion des Einsatzes und allfälliger Risiken ist es jedoch zentral zu wissen, wo, wie und wann diese Wirkstoffe eingesetzt werden. So umfassen die Verkaufszahlen Pflanzenschutzmittel für diverse landwirtschaftliche Anwendungsgebiete, wie beispielsweise Feld-, Obst-, Wein-, Gemüsebau, aber auch für – mengenmässig erheblich weniger bedeutende – nicht-landwirtschaftliche Anwendungen in der Forstwirtschaft, im Hausgarten und an Verkehrswegen.

Im Rahmen des Agrarumweltmonitorings werden deshalb seit 2009 detaillierte Daten zur landwirtschaftlichen Verwendung erhoben und ausgewertet. Damit wird der Indikator «Einsatz von Pflanzenschutzmitteln» berechnet. Dieser liefert agronomisch relevante Aussagen über die Entwicklung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes pro Kultur. Dies erlaubt jedoch keine direkten Rückschlüsse auf ökologische Effekte. Deshalb wird zurzeit der Indikator «aquatische Risiken» entwickelt, anhand von welchem die potenziellen Risiken für Gewässerorganismen bewertet werden sollen.

Indikator «Einsatz von Pflanzenschutzmitteln»

Aus den Daten zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln werden zwei Kennzahlen berechnet: die eingesetzte Menge Wirkstoffe pro ha nach Kultur und Wirkstoffgruppe sowie die Anzahl Interventionen (Pflanzenschutzbehandlungen, Methodik: vgl. de Baan et al. 2015). Die eingesetzte Menge pro ha unterscheidet sich sehr stark zwischen den einzelnen Wirkstoffgruppen. Die Kennzahl Menge pro ha eignet sich deshalb insbesondere zum Vergleich mit den nationalen Verkaufsdaten. Die Kennzahl Anzahl Interventionen ist das aussagekräftigste Mass für die Behandlungshäufigkeit. Agronomisch interessant sind die Angaben zur Streuung, denn sie vermitteln einen Eindruck wie einheitlich der chemische Pflanzenschutz einer bestimmten Kultur betrieben wird und wie gross das Potenzial für Minderungsmassnahmen ist (vgl. BLW 2012).

Auf Kernobst und Reben wurden mit Abstand die grössten Mengen Pflanzenschutzmittel pro Fläche appliziert, wovon Fungizide den Hauptanteil ausmachten. Auch bei Kartoffeln und Steinobst stammte ein Grossteil der applizierten Wirkstoffe aus der Gruppe der Fungizide. Bei den meisten anderen Kulturen machten Herbizide den Hauptteil der ausgebrachten Wirkstoffmengen aus, wobei bei Zuckerrüben die grössten Herbizidmengen zu verzeichnen waren. Bei Kernobst, Kartoffeln und Steinobst wurden zudem andere Wirkstoffe, wie Paraffinöl mit insektizider Wirkung, in relevanten Mengen eingesetzt. Die grössten Insektizidmengen waren bei Kernobst, Steinobst und Kartoffeln zu verzeichnen.

Multipliziert man die angewendete Wirkstoffmenge pro ha Kultur mit der Anbaufläche der Kultur in der Schweiz, ergibt sich eine grobe Schätzung der Wirkstoffmenge die insgesamt auf diesen Kulturen in der Schweiz appliziert wurde. Dabei wird ersichtlich, dass gewisse Kulturen mit einer verhältnismässig geringen Menge Pflanzenschutzmittel pro Fläche, die aber auf einem grossen Anteil der gesamten Fläche angebaut werden, wie beispielsweise Mais oder Winterweizen, bei den eingesetzten Pflanzenschutzmitteln eine grössere Bedeutung haben. Andere Kulturen wie Steinobst machten in dieser nationalen Abschätzung einen eher geringen Anteil am Schweizerischen Pflanzenschutzmitteleinsatz aus. Reben, Kernobst und Kartoffeln waren auch in dieser Betrachtung die Kulturen mit dem grössten Pflanzenschutzmitteleinsatz.
 
Die aus den Pflanzenschutzmittelanwendungen im Agrarumweltmonitoring hochgerechnete Menge stimmt bei Wirkstoffen, die nur im Acker-, Obst- oder Weinbau eingesetzt werden und von denen mehr als eine Tonne verkauft wird, relativ gut mit den Verkaufszahlen überein, sofern in jeder Kulturgruppe eine ausreichende Anzahl Wirkstoff-Applikationen erfasst wurde. Unterschiede zwischen den hochgerechneten Anwendungen und den Verkaufszahlen von Pflanzenschutzmitteln sind durch mehrere Faktoren bedingt: nicht erfasst Anwendungen (Intensivgemüsebau, Gartenbau, Einsatz durch Private usw.), nicht erfasste Applikationsarten (Saatbeizmittel, Nacherntebehandlungen) und mögliche Abweichungen zwischen den ZA-AUI-Betrieben und dem Schweizer Durchschnitt (Spycher und Daniel, 2013).

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Links: Jahresdurchschnitt (2009–2014) der applizierten Wirkstoffmenge (in kg/ha) pro Kultur und Wirkstoffgruppe. Mit * markierte Kulturen enthalten keine Extenso-Produktion. Rechts: Abschätzung der jährlich in der Schweiz eingesetzten Wirkstoffmengen (in Tonnen) pro Kultur (Jahresdurchschnitt 2009–2014). Mit + markierte Kulturen enthalten die Summe der Wirkstoffmenge von Extenso und nicht-Extenso-Produktion. Beide Abbildungen beziehen sich nur auf nicht biologische Produktion, da die Anzahl Bio-Betriebe in der Stichprobe für eine eigene Darstellung zu gering ist.


Betrachtet man die Anzahl Interventionen pro Kultur, also die Anwendungshäufigkeit, so zeigt sich ein relativ ähnliches Bild wie bei der applizierten Menge. Obst, Reben, Kartoffeln und Zuckerrüben waren die am häufigsten behandelten Kulturen. Bei den Wirkstoffgruppen wurden Fungizide und Herbizide auf vielen Kulturen am häufigsten eingesetzt. Insektizide werden auf Kernobst, Steinobst und Raps auch häufig eingesetzt. Da dies aber meist hochwirksame Substanzen sind, die in geringen Dosierungen wirken, ist die eingesetzte Menge vergleichsweise gering.

Der durchschnittliche Pflanzenschutzmitteleinsatz schwankte bei den meisten Kulturen nur geringfügig über die Jahre 2009–2014. Ähnlich zu den Verkaufszahlen liess sich in dieser Zeitspanne kein genereller Trend zu höherem oder tieferem Einsatz beobachten. Bei einzelnen Kulturen gab es durchaus grössere Abweichungen zwischen den Jahren. Die Witterung wird dabei als Hauptgrund vermutet. Bei den Obstkulturen und Reben können die unterschiedlichen Werte zwischen den Jahren jedoch auch durch die eher geringe Datenbasis verursacht werden und stellen nicht unbedingt tatsächliche Schwankungen im Pflanzenschutzmitteleinsatz dar.

Am Fall der grossen Ackerkulturen zeigt sich, dass die am Agrarumweltmonitoring beteiligten Betriebe in Bezug auf die Anzahl Interventionen relativ einheitlich arbeiten. Grosse Unterschiede zwischen den Betrieben bestehen bei Kern- und Steinobst, Reben und Kartoffeln.

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Für die Darstellung wurden biologische Betriebe und Kulturen unter Extenso-Produktion ausgeschlossen. Eine Intervention entspricht einer Durchfahrt. Bei gleichzeitiger Applikation von Produkten verschiedener Wirkstoffgruppen in einer Tankmischung (also beispielsweise Herbizide und Fungizide) wurde je eine Intervention pro Wirkstoffgruppe gezählt.


Das Agrarumweltmonitoring liefert wertvolle Daten, um einerseits langfristige Entwicklungen im Pflanzenschutzmitteleinsatz zu erkennen, und um andererseits den Einsatzort und -zeitpunkt der verkauften Mittel zu verstehen. Somit kann pro Kultur evaluiert werden, wie sich gewisse Massnahmen, wie beispielsweise ein Verbot oder eine neue Bewilligung von Substanzen, auf den Pflanzenschutzmitteleinsatz auswirken.

Da es grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Kulturen gibt, ist es zentral, dass die Daten im Agrarumweltmonitoring alle wichtigen Kulturen angemessen abdecken. Bei den pflanzenschutzmittelintensiven Spezialkulturen (Obst-, Wein- und Gemüsebau) sollte die Datenlage in Zukunft ausgebaut werden, um langfristige Entwicklungen verlässlich abbilden zu können. Für den Gemüsebau ist die bisherige Datenlage zu gering um verlässliche Auswertungen vorzunehmen. Diese Kulturgruppe fehlt daher in den Darstellungen. Bei den Feldkulturen ist die Datenlage jedoch solide und langfristige Verschiebungen im Pflanzenschutzmitteleinsatz können gut abgebildet werden.

Indikator «aquatische Risiken»

Zurzeit wird der Indikator «aquatische Risiken» fertig erarbeitet. Dieser Indikator nutzt die Daten zum Pflanzenschutzmitteleinsatz, um das potenzielle Umweltrisiko in Bezug auf oberirdische Gewässer zu bewerten. Mittels Modellen wird abgeschätzt, welcher Anteil der verwendeten Wirkstoffe ins Gewässer gelangen kann, wobei der Applikationszeitpunkt und chemische Eigenschaften wie Löslichkeit und Abbaubarkeit eine wichtige Rolle spielen. Weiter wird betrachtet, wie gross das Schadenspotenzial gegenüber Nichtziel-Organismen ist, basierend auf den ökotoxikologischen Eigenschaften der verwendeten Wirkstoffe. Das aquatische Risiko wird schliesslich anhand von Eintrags- und Schadenspotenzial berechnet.

Der Indikator «aquatische Risiken» liefert wichtige Informationen zur langfristigen Entwicklung von unerwünschten Nebenwirkungen des Pflanzenschutzmitteleinsatzes auf oberirdische Gewässer durch die Schweizer Landwirtschaft. Die Umweltrelevanz des Pflanzenschutzmitteleinsatzes für Gewässerorganismen wird bewertet, wobei Veränderungen bei den eingesetzten Wirkstoffen, der Menge, der Häufigkeit des Einsatzes sowie von gewissen risikomindernden Massnahmen beobachtet werden können. Somit ist dieser Indikator eine wichtige Ergänzung zu den nationalen Zahlen zum Pflanzenschutzmittelverkauf und dem Indikator «Einsatz von Pflanzenschutzmitteln» in der Landwirtschaft. Eine wichtige Ergänzung zum modellbasierten Indikator «aquatische Risiken» stellen zudem die Messnetze zur Gewässerqualität (tatsächliche Konzentrationen von Pflanzenschutzmitteln in Gewässern, Braun et al. 2015) und zum ökologischen Zustand der kleinen Fliessgewässer (Leib 2015) dar.

Um die Risiken des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in der Schweiz zu reduzieren, wird momentan ein nationaler Aktionsplan erarbeitet. Mit einer Reihe von Massnahmen sollen die unerwünschten Nebenwirkungen vom Pflanzenschutzmitteleinsatz reduziert werden. Der Indikator «aquatische Risiken» könnte hierfür einen wichtigen Beitrag zur Bewertung der heutigen aquatischen Risiken in den Oberflächengewässern und deren langfristiger Entwicklung liefern.

Literatur

de Baan et al., 2015: Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz von 2009 bis 2012. Agrarforschung Schweiz 6 (2), 48-45.
 
BLW, 2012: Agrarbericht, 108-110
 
Braun et al. 2015: Mikroverunreinigungen in Fliessgewässern aus diffusen Einträgen. Situationsanalyse. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Zustand Nr. 1514: 78 S.
 
Leib 2015. Makrozoobenthos in kleinen Fliessgewässern, Makrozoobenthos-Untersuchungen:
Schweizweite Auswertung. Aqua&Gas 4: 66-75.
 
Spycher S., Daniel O. 2013: Agrarumweltindikator Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Auswertungen von Daten der Zentralen Auswertung Agrarumwelt-indikatoren (ZA-AUI) der Jahre 2009 – 2010.

Laura de Baan, Agroscope IPB und Ruth Badertscher, BLW, Fachbereich Agrarumweltsysteme und Nährstoffe, ruth.badertscher@blw.admin.ch