Studie Vitalität und Attraktivität des ländlichen Raums
Die ländlichen Räume und Berggebiete der Schweiz erbringen wichtige Leistungen für das ganze Land. Sie sind nicht nur Lebens- und Wohnraum der Bevölkerung, sondern erfüllen auch wichtige Funktionen als Wirtschafts-, Erholungs- und Identifikationsraum sowie als Raum mit hohen Natur- und Landschaftswerten.
Im Jahr 2015 hat der Bundesrat erstmals eine ämterübergreifende Politik für die ländlichen Räume und Berggebiete verabschiedet und damit die Bedeutung dieser Räume für eine nachhaltige Entwicklung unterstrichen. Nur wenn der ländliche Raum als Wohn-, Arbeits- und Naturraum vital und attraktiv ist, kann die dezentrale Besiedlung des Landes langfristig gesichert werden. Der Erhalt der dezentralen Besiedlung ist gleich wie etwa die Offenhaltung der Kulturlandschaft oder der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen eine wichtige gemeinwirtschaftliche Leistung der Landwirtschaft. Solche Leistungen sind auch für andere Wirtschaftsbereiche, wie z.B. den Tourismus, von hoher Bedeutung. Die Förderung vitaler und attraktiver ländlicher Räume ist daher auch ein zentrales Anliegen der Agrarpolitik und stellt eines der vier strategischen Ziele des Bundesrates für die AP 14-17 dar.
Bei agrarpolitischen Massnahmen zur Förderung von Vitalität und Attraktivität des ländlichen Raums stellt sich die Frage nach den verfolgten Zielen: wann sind Räume attraktiv? Welche Eigenschaften haben vitale ländliche Räume? Wie kann die Agrarpolitik die Attraktivität und Vitalität des ländlichen Raums der Schweiz gezielt stärken? Um diese Fragen zu beantworten hat das BLW eine Studie mit dem Titel «Der Beitrag der Landwirtschaft zur Attraktivität und Vitalität des ländlichen Raumes» in Auftrag gegeben. Mit dieser Studie sollten die Eigenschaften eines attraktiven und vitalen ländlichen Raumes bestimmt werden und Indikatoren entwickelt werden, um diese Eigenschaften zu messen. Zudem sollten die Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft und Agrarpolitik auf der einen sowie Attraktivität und Vitalität des ländlichen Raums auf der anderen Seite analysiert werden.
Indikatoren zur Messung von Vitalität und Attraktivität ländlicher Räume
In der Studie wurden Attribute und Messgrössen (Indikatoren) zur Beschreibung und Messung der Vitalität und Attraktivität ländlicher Räume auf Ebene Gemeinde entwickelt. Hierzu wurden auf Gemeindeebene verfügbare Datensätze gesichtet und auf ihre Eignung zur Messung von Vitalität und Attraktivität ländlicher Räume geprüft.
Zur Messung der Vitalität von Gemeinden wurden 13 Indikatoren verwendet. Diese Indikatoren beschreiben die Vitalität eines Raums entlang der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: Gesellschaft (vitale Bevölkerung, lebendige Zivilgesellschaft und intaktes Zusammenleben, Gesundheit und soziale Situation der Bevölkerung), Wirtschaft (Wettbewerbsfähigkeit) und Ökologie (intaktes und resilientes Ökosystem).
Die Attraktivität von Gemeinden des ländlichen Raums der Schweiz wurde anhand von 10 Indikatoren aus drei Blickwinkeln bestimmt: dem Blickwinkel der Gemeinde als Wohnstandort (Service Public und Grundausstattung, Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten, natur- und kulturräumliche Vielfalt, Einkommenssituation und Steuerbelastung), als Wirtschaftsstandort (Verfügbarkeit qualifizierter Ar-beitskräfte, ressourcen- und wirtschaftsbezogene Infrastrukturausstattung) und als Freizeit- und Erholungsraum (verkehrstechnische Erreichbarkeit, touristische Infrastruktur und Angebote).
Mit diesen Indikatoren konnte die Vitalität und die Attraktivität des ländlichen Raums erstmals flächendeckend auf Ebene Gemeinde gemessen werden. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Gemeinden mit hoher ökologischer Vitalität und Gemeinden mit hoher wirtschaftlicher Attraktivität nicht deckungsgleich sind. Vitalität und Attraktivität sind eng mit geographischen Attributen wie der Topographie und der Erreichbarkeit verbunden: als wirtschaftlich attraktiv klassierte Gemeinden liegen häufig im periurbanen Raum, während als ökologisch vital bewertete Gemeinden eher im peripheren ländlichen Raum. Letzterer ist stärker landwirtschaftlich geprägt als der periurbane Raum.
Rolle der Agrarpolitik im ländlichen Raum
Der Beitrag der Landwirtschaft und der Agrarpolitik zur Vitalität und Attraktivität ländlicher Räume ist komplex. Aufgrund fehlender Daten – insbesondere zu «soft factors», wie Schönheit des Ortsbildes oder dem Engagement im öffentlichen Leben – und grosser struktureller Unterschiede zwischen den Gemeinden des ländlichen Raums der Schweiz konnte die Studie den Beitrag der Agrarpolitik zur Vitalität und Attraktivität nicht abschliessend bewerten.
Die ausgewerteten Daten zeigen aber, dass zwischen der Landwirtschaft und der ökologischen Vitalität von Gemeinden ein starker Zusammenhang besteht. Demgegenüber gehen über den gesamten ländlichen Raum gesehen nur relativ schwache wirtschaftliche Entwicklungsimpulse von der Landwirtschaft aus. Nichtsdestotrotz ist gerade der periphere ländliche Raum nach wie vor stark von der Landwirtschaft und damit von der Umsetzung agrarpolitischer Massnahmen geprägt.
Ausblick
Die Resultate der Studie legen nahe, die Förderung der Vitalität und Attraktivität ländlicher Räume zunehmend als Verbundaufgabe aufzufassen. Die Agrarpolitik kann mit ihren Instrumenten einen wichtigen Beitrag zu dieser Verbundaufgabe leisten. Im Sinne der Politik für die ländlichen Räume und Berggebiete sollen in Zukunft die agrarpolitischen Instrumente mit dem Ziel der Stärkung des ländlichen Raums insbesondere dort eingesetzt werden, wo sie die grösste Wirkung für eine nachhaltige Entwicklung erzielen können.
Literatur
Schweizerischer Bundesrat (2015): Politik des Bundes für die ländlichen Räume und Berggebiete; Bericht in Erfüllung der Motion 11.3927 Maissen vom 29. September 2011. Für eine kohärente Raumentwicklung Schweiz. Bericht vom 18. Februar 2015. Bern.
Ecoplan und Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL (2016): Beitrag der Landwirtschaft und der Agrarpolitik zur Vitalität und Attraktivität des ländlichen Raums. Studie im Auftrag des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW). Bern.
Susanne Menzel, BLW, Fachbereich Agrarökonomie, Raum und Strukturen, susanne.menzel@blw.admin.ch
Daniel Baumgartner, BLW, Fachbereich Agrarökonomie, Raum und Strukturen, daniel.baumgartner@blw.admin.ch
Mein Agrarbericht
Auswahl:
Stellen Sie sich Ihren eigenen Agrarbericht zusammen. Eine Übersicht aller Artikel finden Sie unter «Service».