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Ammoniak verändert sensible Ökosysteme

Wenn Eiweiss oder Harnstoff aus den Ausscheidungen von Nutztieren abgebaut wird, entsteht unter anderem das stickstoffhaltige Gas Ammoniak (NH3). Ammoniakemissionen sind in verschiedener Hinsicht unerwünscht: Einerseits geht der Landwirtschaft Stickstoff verloren, der somit nicht mehr für die pflanzliche und tierische Produktion zur Verfügung steht. Im Schnitt der Jahre 2012/14 betrugen diese Verluste in der Schweiz 45 kg N/ha oder total 47 500 t N. Andererseits wirkt sich Ammoniak negativ auf die menschliche Gesundheit aus, wenn es in die Umwelt gelangt: Ammoniak trägt zur Bildung von Feinstaub bei, welcher Erkrankungen der Atemwege verursachen kann. Auch auf die Ökosysteme hat es negative Auswirkungen: Ein kleiner Teil des Ammoniaks wandelt sich in Lachgas (N2O) um und trägt damit zur Klimaerwärmung bei.

Ammoniak wird in der Luft verfrachtet und in nasser oder trockener Form anderswo wieder deponiert. In naturnahen und empfindlichen Ökosystemen wie Wäldern, Magerwiesen, Mooren und Heiden tragen übermässige Stickstoffeinträge zur Überdüngung und Versauerung bei. Dadurch werden unter anderem Bodenprozesse, Nährstoffhaushalt und Artenzusammensetzung verändert. In der Regel stammt etwa ein Viertel der Ammoniakkonzentrationen an einem Standort aus Quellen in einer Entfernung von 0 bis 1 km. Ein weiterer Viertel kommt aus einer Entfernung von 1 bis 4 km, der Rest stammt aus grösseren Entfernungen (EKL 2014).

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Das Büsselimoos – ein Hoch- und Übergangsmoor von nationaler Bedeutung (Foto: Christine Zundel)

Die verschiedenen Ökosysteme reagieren unterschiedlich auf Stickstoffeinträge. Um beurteilen zu können, ob die Stickstoffeinträge in ein Ökosystem übermässig sind, wurden für die verschiedenen Ökosysteme kritische Eintragsraten (Critical Loads zum Schutz von Ökosystemen gemäss der United Nations Economic Commission for Europe, UNECE) hergeleitet. Bei manchen Ökosystemen ist die kritische Eintragsrate von Stickstoff bereits bei 5 kg N/ha und Jahr erreicht, bei anderen bei 20 kg N/ha und Jahr. In der Schweiz werden die kritischen Eintragsraten im Mittelland, im Jura, am nördlichen und am südlichen Alpenhang sowie im Tessin teilweise um 30 kg N/ha pro Jahr oder mehr überschritten (BAFU, in Vorbereitung).

Vier Ammoniakemissionsstufen

Ammoniak kann auf verschiedenen Stufen des landwirtschaftlichen Produktionsprozesses entstehen: Im Stall oder auf der Weide, wenn das Tier Kot und Harn ausscheidet; bei der Lagerung von Gülle und Mist; bei der Ausbringung der Hofdünger; und aus den pflanzenbaulich genutzten Böden.

In den letzten 23 Jahren haben sich die Emissionen aus dem Stall erhöht (+34 %). Grund dafür ist die zunehmende Verbreitung von Laufställen und Laufhöfen und die damit einher gehende Zunahme an emittierenden Flächen. Die Emissionen bei der Hofdüngerausbringung sind hingegen zurückgegangen (-32 %). Dies einerseits aufgrund der niedrigeren Tierzahlen, der verbesserten Fütterung, des vermehrten Weidegangs sowie der höheren Verluste im Stall, was alles dazu führt, dass weniger Stickstoff ins Hofdüngerlager gelangt. Und andererseits, weil bei der Gülleausbringung vermehrt emissionsmindernde Verfahren wie der Schleppschlauch eingesetzt werden (Kupper et al. 2015). Im Schnitt der Jahre 2012/14 machten die Emissionen aus der Hofdüngerausbringung 46 %, jene aus dem Stall/Laufhof 34 %, jene aus dem Hofdüngerlager 17 %, und jene auf der Weide 3 % der gesamten Emissionen aus der Tierhaltung aus.

Ammoniakemissionen stagnieren seit 15 Jahren

Die Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft haben gemäss den Berechnungen mit dem Modell Agrammon (www.agrammon.ch) seit den Jahren 1990/92 gesamtschweizerisch um 16 % abgenommen. Der Rückgang fand weitestgehend zwischen 1990 bis 2000 statt. In dieser Zeit gingen auch die Tierbestände in der Schweiz zurück. Seither bleiben die Ammoniakemissionen auf hohem Niveau stabil. Im Schnitt der Jahre 2012/14 waren 71 % der landwirtschaftlichen Emissionen der Rindviehhaltung zuzuschreiben, 13 % gingen auf die Schweinehaltung zurück, und 4 % stammten aus der Geflügelhaltung. Aus dem Pflanzenbau stammen 9 % der landwirtschaftlichen Ammoniakemissionen. Diese Anteile haben sich im Lauf der letzten 23 Jahre nicht wesentlich verändert.

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Daten zu Ammoniakemissionen und anderen Agrarumweltindikatoren auf nationaler Ebene können unter Service heruntergeladen werden.

Grosse Ziellücke

Um die Ökosysteme vor übermässigen Stickstoffeinträgen zu schützen, müssen die Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft erheblich reduziert werden. Das entsprechende zeitlich nicht terminierte Umweltziel von jährlich maximal 25 000 t NH3-N/ha (BAFU/BLW 2008) und das Etappenziel von 41 000 t NH3-N/ha in der Botschaft zur Agrarpolitik 2014-2017 kann nur mit weiteren Anstrengungen zur Emissionsreduktion erreicht werden.

Die Auswertung der Daten von rund 200 Betrieben im Rahmen des Agrarumweltmonitorings für das Jahr 2014 zeigt, dass die Ammoniakemissionen pro Fläche abhängig vom Betriebstyp stark variieren. Dies hängt damit zusammen, dass Ammoniak vor allem in der Tierhaltung entsteht. Aber auch innerhalb der verschiedenen Betriebstypen mit Tierhaltung gibt es grosse Unterschiede. Ein Teil dieser Unterschiede könnte darauf zurückzuführen sein, dass einige der untersuchten Betriebe emissionsarme Technologien und Bewirtschaftungssysteme und -praktiken wie Phasenfütterung, Weidehaltung, Abdeckung der Güllelager, Schleppschlauchverteiler, Ausbringen von Hofdüngern in der kühlen Jahreszeit, Einarbeiten von Mist, uam. einsetzen, während andere dies nicht tun.

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Daten zu Ammoniakemissionen und anderen Agrarumweltindikatoren auf betrieblicher Ebene können von Service heruntergeladen werden.

Engagement des Bundes und der Kantone zur Minderung von Ammoniakemissionen

Um einen Beitrag zur Verringerung der Ziellücke zu leisten, hat der Bund im Jahr 2008 ein Programm zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Nutzung natürlicher Ressourcen (LwG Art. 77a) lanciert. Seither können Trägerschaften beim Bund entsprechende Projekte («Ressourcenprojekte») einreichen. Bis und mit dem Jahr 2014 hat der Bund für insgesamt 16 Ressourcenprojekte zur Reduktion der Ammoniakemissionen 77,8 Millionen Franken ausgegeben. Damit wurde insbesondere der Einsatz emissionsmindernder Ausbringverfahren für Hofdünger, Fütterungsmassnahmen und die Abdeckung von Güllelagern unterstützt. Die Kantone haben die Projekte mit weiteren 20,9 Millionen Franken unterstützt. Seit dem Jahr 2014 können Landwirte zudem unabhängig von Trägerschaften und Projekten Ressourceneffizienzbeiträge (Direktzahlung nach LwG Art. 70) für den Einsatz von emissionsmindernden Ausbringtechniken beanspruchen.

Mit der staatlichen Förderung von emissionsarmen Ausbringverfahren für Gülle haben die Akzeptanz solcher Verfahren in der Praxis und deren Anwendung stark zugenommen: Bis heute haben etwa ein Drittel der Betriebe, welche zu Direktzahlungen berechtigt sind und Tiere halten, an einem Ressourcenprojekt «Ammoniak» teilgenommen oder Ressourceneffizienzbeiträge für emissionsmindernde Hofdüngerausbringverfahren erhalten. Allerdings stellen die Beiträge des Bundes nur eine befristete Anschubfinanzierung dar – die Wirkung muss auch nach Ablauf der Unterstützung weitergehen. Dieses Konzept hat dazu geführt, dass emissionsarme Ausbringungsverfahren heute breit anerkannt sind und dem Stand der Technik entsprechen.

Blick ins Ausland

Im Vergleich zum umliegenden Ausland (südliches Deutschland, südliches Frankreich, Österreich, Italien) sind die Umweltwirkungen von Ammoniakemissionen in der Schweiz hoch (SRU 2015, EEA 2014). Dies gilt auch im weltweiten Vergleich, wobei sich wenig belastete Gebiete u.a. in Russland, Nord- und Südamerika, Afrika und Ozeanien befinden (Steffen et al. 2015). Grund dafür ist die Kombination von hohem Tierbesatz, freigelüfteten Ställen und empfindlichen Ökosystemen in der Schweiz.

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Im europäischen Vergleich weist die Schweiz nach Holland die zweithöchsten Ammoniakemissionen pro Hektare landwirtschaftlicher Nutzfläche aus. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Strategie im Umgang mit hohen Ammoniakemissionen ist Dänemark, welches eine ähnlich hohe Tierdichte hat wie die Schweiz: Dänemark konnte seine Ammoniakemissionen in den letzten 25 Jahren von ca. 44 kg N pro ha auf ca. 27 kg N pro ha und Jahr senken (ca. -40 %) (OECD 2013). Dies ist unter anderem auf folgende Massnahmen zurückzuführen: Obligatorische Abdeckung von Güllelagern; Verbot des Breitverteilers zur Gülleausbringung, bzw. obligatorische Ausbringung mit Injektionsgerät in ökologisch sensiblen Gebieten; Einarbeitung der Hofdünger bis maximal sechs Stunden nach der Ausbringung; strenge Auflagen beim Ausbau von Tierhaltungskapazitäten in Pufferzonen rund um sensible Gebiete; Informationskampagnen zur besseren Nutzung des Stickstoffs in Futtermitteln. Die spezifisch auf die Minderung von Ammoniakemissionen ausgerichteten Massnahmen sind eingebettet in eine Reihe weiterer Massnahmen zur Reduktion der Stickstoff-Überschüsse (Dalgaard et al. 2014, Kronvang et al. 2011).

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Fazit

Die Ziellücke bei den Ammoniakemissionen bleibt unverändert gross.

Ammoniakemissionen bedeuten einen Verlust an Stickstoff für die Landwirtschaft und haben vielfältige negative Auswirkungen, insbesondere auf naturnahe Ökosysteme, aber auch auf die menschliche Gesundheit. Um übermässige Stickstoffeinträge in die Umwelt zu vermeiden, sind weitere Anstrengungen zur Emissionsreduktion erforderlich.

Dazu steht eine ganze Reihe von gut erprobten, technischen und betrieblichen Massnahmen zur Verfügung, welche die betriebliche Effizienz im Umgang mit Stickstoff verbessern. Besonders wirksam sind Massnahmen, die bei der Futterverwertung durch das Tier ansetzen. So gelangt weniger Stickstoff in die Umwelt, der später auf einer der Emissionsstufen in Ammoniak umgewandelt werden kann.

Wo dennoch übermässige Immissionen in naturnahe und sensible Ökosysteme auftreten, sind weitere Massnahmen notwendig. Da sich Ammoniakemissionen vor allem lokal und (über)regional auswirken, muss die Produktionsintensität an den jeweiligen Standort und die Tragfähigkeit der betroffenen Ökosysteme angepasst werden.

Literatur

BAFU (2016) in Vorbereitung

BAFU/BLW (2008) Umweltziele Landwirtschaft. Umwelt-Wissen Nr. 0820. Bundesamt für Umwelt, Bern

Dalgaard T, Hansen B, Hasler B, Hertel O, Hutchings N J, Jacobsen B H, Jensen L S, Kronvang B, Olesen J E, Schjørring J K, Kristensen I S, Graversgaard M, Termansen M, Vejre H (2014) Policies for agricultural nitrogen management—trends, challenges and prospects for improved efficiency in Denmark. Environmental Research Letters 9:115002

European Environment Agency (2014) Effects of air pollution on European ecosystems. Past and future exposure of European freshwater and terrestrial habitats to acidifying and eutrophying air pollutants. Publications Office of the European Union, Luxembourg, 38 S.

Eidgenössische Kommission für Lufthygiene (2014) Ammoniak-Immissionen und Stickstoffeinträge. Abklärungen der EKL zur Beurteilung der Übermässigkeit. Bern. 62 S.

Kupper T, Bonjour C, Menzi H (2015) Evolution of farm and manure management and their influence on ammonia emissions from agriculture in Switzerland between 1990 and 2010. Atmospheric Environment 103:215-221.

Kronvang B, Andersen H E, Børgesen C, Dalgaard T, Larsen S E, Bøgestrand J, Blicher-Mathiasen G (2011) Effects of policy measures implemented in Denmark on nitrogen pollution of the aquatic environment. Environmental Science and Policy 11:144-152

OECD (2013) Compendium of Agri-Environmental Indicators, OECD Publishing, Paris. 182 S.
Sachverständigenrat für Umweltfragen (2015) Stickstoff: Lösungsstrategien für ein drängendes Umweltproblem. Sondergutachten. Erich Schmidt Verlag GmbH, Berlin, 348 S.

Steffen W, Richardson K, Rockström J, Cornell S E, Fetzer I, Bennett E M, Biggs R, Carpenter S R, de Vries W, de Wit C A, Folke C, Gerten D, Heinke J, Mace G M, Persson L M, Ramanathan V, Reyers B, Sörlin S (2015) Planetary Boundaries: Guiding Human Development on a Changing Planet. Science (347)6223.

Christine Zundel, BLW, Fachbereich Agrarumweltsysteme und Nährstoffe, christine.zundel@blw.admin.ch