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In der Gesamtmelioration St. Peter-Pagig/Peist im bündnerischen Schanfigg ist im Jahr 2015 oberhalb der Waldgrenze eine neue Haupterschliessung der Bergwiesen gebaut worden. Die Strasse führt auf weiten Strecken durch Trockenwiesen und liegt am Rande einer Moorlandschaft von nationaler Bedeutung. Die Böschungen sind auf der ganzen Weglänge mit Rasenziegeln begrünt worden, wodurch sich die neu angelegte Linienführung schon während der Bauzeit optimal in das bestehende Gelände einpasste und die umliegende Vegetation praktisch uneingeschränkt erhalten werden konnte. Die Methode bietet weitere entscheidende Vorteile und kann deshalb auch in ökologisch weniger sensiblen Umgebungen gewinnbringend angewandt werden.

Umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfung

Die Gesamtmelioration St. Peter-Pagig/Peist im bündnerischen Schanfigg ist wie alle grösseren Strukturverbesserungsprojekte während der Genehmigungsphase einer umfangreichen Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen worden. Ein beachtlicher Anteil der Mähwiesen im Beizugsgebiet befindet sich oberhalb der Waldgrenze in landschaftlich und ökologisch sensiblen Gebieten, in welchen ein besonders schonender Umgang mit der Umwelt geboten ist. So enthält die Genehmigungsverfügung unter anderem die Auflage, die Wiederbegrünung innerhalb von Lebensräumen nach Art. 18 Abs. 1bis NHG mittels Rasenziegeln, Heublumen oder autochthonem, standortgerechtem Material vorzunehmen.

Im Jahr 2015 ist mit der Güterstrasse von Zarzull nach Zalüenja eine Haupterschliessungsachse in die Peister Heuberge erstellt worden, wobei der alte, übersteile Erdweg durch eine moderne Betonspurstrasse mit neuer Linienführung ersetzt wurde. Die Strasse überwindet auf einer Länge von 965 m die Höhendifferenz zwischen 1942 und 2078 m.ü.M. und quert auf zwei Dritteln der Strecke Magerwiesen oder Lägerfluren. Zudem liegen die letzten Meter der Strasse in der Moorlandschaft von nationaler Bedeutung «Faninpass» und die Strecke ist eine sehr beliebte Wander- und Mountainbikeroute. Mit diesen Voraussetzungen war allen Beteiligten bewusst, dass nur eine äusserst rücksichtsvolle Bauweise allen Anforderungen gerecht werden kann.

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Die Rasenziegel werden mit einer Mächtigkeit von mindestens 10 cm abgeschält und vor dem Wiederanlegen nicht länger als 14 Tage zwischengelagert.

Böschungsbegrünung in der Praxis

In Rücksprache mit dem projektierenden Ingenieurbüro, dem begleitenden Umweltbüro sowie der Bauherrschaft wurde entschieden, die Böschungsbegrünung auf der ganzen Strecke mittels Abschälen und Wiederanlegen von Rasenziegeln durchzuführen. Die Betonspuren wurden überdies der Landschaftsverträglichkeit wegen mit einem dunklen Zuschlagsstoff eingefärbt.

Das Ausstechen, fachgerechte Lagern, Transportieren und Wiederanlegen sowie allfällige Bewässern der Rasenziegel wurde im Baukostenvoranschlag in einer einzigen Position zusammengefasst und im vorliegenden Fall vom Unternehmer mit Fr. 4.60 pro m2 offeriert. Von der Umweltbaubegleitung wurde gefordert, dass die Rasenziegel in einer Mächtigkeit von mindestens zehn Zentimetern abgeschält und vor dem Wiederanlegen nicht länger als 14 Tage zwischengelagert werden dürfen.

Der Unternehmer hatte den Bauvorgang entsprechend dieser Vorgaben zu organisieren. Insbesondere war zu berücksichtigen, dass die Rasenziegel nicht an einem zentralen Depot aufbewahrt werden, da die Ziegel beim Transport Schaden nehmen und nur in beschränkter Mächtigkeit übereinander gestapelt werden dürfen. Die Deponie der Rasenziegel erfolgte deshalb über die ganze Weglänge verteilt im Schwenkbereich des Aushubgerätes.

Im vorliegenden Fall kam eine weitere Schwierigkeit dazu: Aufgrund des vernässten Untergrundes wäre ein längeres Offenhalten der Böschungen und des Aushubs bautechnisch durchaus von Vorteil gewesen, damit hätte das Material besser austrocknen können. Immerhin hat die trockene Witterung im Sommer 2015 diese Situation nicht noch verschärft.
 
Der Abtrag der Rasenziegel gestaltete sich, je nach Beschaffenheit der Grasnarbe, nicht immer gleich einfach. Grundsätzlich sind lehmige und wenig tiefgründige Oberböden leichter abzuschälen als humusreiche und grobkörnige oberste Bodenschichten. Bei kompakten Grasnarben gelang der Abtrag mitsamt dem Wurzelwerk besser, wobei die Rasenziegel mit dem Baggerlöffel in einer Grösse von einem Quadratmeter abgetragen und sauber aufgestapelt wurden. 

Nach den erfolgten Abträgen und Schüttungen wurden die Rasenziegel wiederum mit dem Baggerlöffel auf den Böschungen Stück an Stück angelegt. Dies erfolgte unter Beihilfe von ein bis zwei Bauarbeitern, welche den Maschinisten bei der optimalen Positionierung der Ziegel unterstützten und die leeren Zwischenräume von Hand mit kleinen Stücken ausfüllten. Herrscht während der Zeit der Lagerung und des Anlegens während längerer Zeit Trockenheit, sollten die Ziegel bewässert werden, damit sie genügend kompakt bleiben. In humusreichen Wiesen sind die Grasnarben weniger kompakt und fallen häufig auseinander. Dementsprechend aufwendiger ist das Anlegen der Rasenziegel. 

Aus Sicht des Unternehmers ist der Bauvorgang mit den anfangs erwähnten Vorgaben nicht einfach zu kalkulieren. Die Etappengrössen und der Bauvorgang muss der Lagerungsdauer und dem vorhandenen Platz zur Lagerung der Rasenziegel angepasst werden. Dass nicht das ganze Wegtrassee vorgängig abhumusiert werden kann, ist für den Unternehmer eine ungewohnte Vorgehensweise. Der Aufwand für eine allfällige Bewässerung der Ziegel kann in unwegsamem Gelände relativ gross sein. Während einer Trockenphase kann dies zu bedeutenden Mehraufwendungen führen.

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Die Deponie der Rasenziegel erfolgt über die ganze Weglänge verteilt im Schwenkbereich des Aushubgeräts.

Bewährte Begrünungsmethode

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Das Anlegen der Rasenziegel erfordert viel Geschick des Maschinisten... und einiges an Handarbeit.

Die gewählte Begrünungsmethode stellt zwar hohe Anforderungen an den ausführenden Unternehmer und an die Baustellenplanung, bietet jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten entscheidende Vorteile.

An erster Stelle ist sicherlich der im Vergleich zu konventionellen Begrünungsmethoden wesentlich geringere «optische Eingriff» durch den Strassenbau zu nennen. Die Dauer der Beeinträchtigung ist einerseits durch die kürzere Offenhaltungszeit deutlich reduziert, andererseits entfällt die Keimungs- und Etablierungsfrist einer neu eingesäten Flora, was besonders in alpinen Höhenlagen ins Gewicht fällt. Da überdies exakt die vorher vorhandene Pflanzengesellschaft wieder angesiedelt wird, ist der Unterschied zwischen Böschungs- und Umgebungsvegetation kaum wahrnehmbar. Insgesamt resultiert somit eine bedeutend raschere und natürlichere Einpassung des neuen Werkes in die bestehende Umgebung, was sich insbesondere in exponiertem Gelände, in landschaftlich schützenswerten Gebieten und in den oberen Höhenlagen mit touristischer Nutzung in Form einer erhöhten Akzeptanz auszahlt.

Aus ökologischer Sicht sind einerseits die wegfallenden Risiken durch Einbringen standortfremder Pflanzenarten oder -ökotypen (Florenverfälschung) zu nennen. Der Verlust lokaltypischer Genotypen durch Einkreuzen oder Verdrängung ist mit der gewählten Methode praktisch auszuschliessen. Andererseits können schützenswerte Vegetationstypen mit Ausnahme der effektiven Trasseebreite ungeschmälert erhalten werden, was sich auch spürbar auf die Ersatzmassnahmenpflicht auswirkt.

Sofern sich die Neigung nicht wesentlich verändert hat, kann die Böschung von den Bewirtschaftern umgehend wieder ihrer ursprünglichen Nutzung zugeführt werden. Allfällige Pflegeschnitte oder das aufwändige Entfernen ungewünschter Arten wie Klappertopf oder Blacken entfallen weitgehend.

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Die fertig begrünte Böschung direkt nach Abschluss der Bauarbeiten.

Ein für den Unternehmer und die Bauherrschaft positiver Nebeneffekt ergibt sich dadurch, dass die neuen Böschungen innert kürzester Frist stabil verwachsen sind, wodurch sich das Risiko des Ausschwemmens und Nachrutschens bei starken Regenfällen deutlich verringert. Dies kompensiert den Nachteil des durch die Begrünung verlangsamten Baufortschritts teilweise. Bei übersteilen Böschungen mit Neigungen über 45° können aber auch Rasenziegel zum Abgleiten neigen und ein Nachbessern nötig machen.

Eine erfolgreiche Böschungsbegrünung mit Rasenziegeln erfordert seitens des Unternehmers eine weitsichtige, flexible Baustellenplanung sowie ein nicht zu unterschätzendes Mass an Geschick der Maschinistin oder des Maschinisten. Weiter muss die Grasnarbe in der nötigen Mächtigkeit und Quantität vorhanden sein. Bei Neutrassierungen ist letzteres Kriterium in der Regel einfacher zu erfüllen als beim Ausbau bestehender Strassen.

Fazit

In ökologisch und landschaftlich sensiblen Umgebungen ist die Böschungsbegrünung mit Rasenziegeln eine bewährte Methode, die Eingriffe durch den Güterstrassenbau auf ein Minimum zu reduzieren. Wenn die nötigen Voraussetzungen erfüllt sind, könnte sich die Methode in Anbetracht der zahlreichen Vorteile aber auch in weniger anspruchsvollen Situationen durchaus bezahlt machen.

Kaspar Bernet, Amt für Landwirtschaft und Geoinformationen, Chur
Samuel Reusser, BLW, Fachbereich Betriebsentwicklung, samuel.reusser@blw.admin.ch